Fragwürdiger Einsatz

Vor etwa einem Jahr hat der Deutsche Bundestag einen Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ eingesetzt, um ein Bild davon zu bekommen, welche Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger für eine gesündere und nachhaltigere Ernährung wünschen beziehungsweise wie man die Ernährungspolitik verbessern kann. Für die Teilnahme an dem Bürgerrat wurden 160 Personen über 16 Jahren mit Erstwohnsitz in Deutschland per Zufallsprinzip ausgewählt.

Grundsätzlich ist es sehr fragwürdig, in einer parlamentarischen Demokratie einen Bürgerrat einzusetzen. Denn anstatt wichtige politische Fragen an einen Bürgerrat zu delegieren, sollte es die Aufgabe der von den Bürgern gewählten und somit da­für verantwortlichen Parlamentarier sein, Ant­worten und Lösungswege zu finden sowie Entscheidungen zu treffen. Es ist keine „Weiterentwicklung der Demokratie“, wie ein grüner Abgeordneter über den Einsatz von Bürgerräten sagte. Zudem sind die zufällig ausgewählten 160 Teilnehmer nicht repräsentativ für die breite Vielfalt der Bevölkerung, was die Ergebnisse in Frage stellt. Ob die Empfehlungen des Bürger­rats in politische Entscheidungsprozesse integriert werden können, bleibt außerdem fraglich. Hier treffen oftmals Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Wer soll die Empfehlungen umsetzen und wer soll sie, bei leeren Kassen, bezahlen?

Vergangene Woche fand die erste Bundestagsdebatte statt, bei der die Empfehlungen des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“ diskutiert wurden. An erster Stelle wird die Einführung eines kostenfreien und gesunden Mittag­essens für alle Kinder in Schulen und Kitas empfohlen. Der Bund soll dies gemeinsam mit den Ländern finanzieren. Für Kinder, die in Armut aufwachsen, ist die Bereitstellung einer kostenfreien Mahlzeit schon jetzt möglich. Bei allen anderen Familien sollte man den Eltern die Verantwortung nicht abnehmen, ihren Kindern eine ausgewogene Ernährung zu bieten. Eine staatliche Einmischung in die privaten Kochtöpfe ist verkehrt und schadet der Verpflichtung und Vorbildfunktion der Eltern, für und mit den Kindern gesunde Mahlzeiten zuzubereiten. Wer mittags keine Zeit hat, kann dies auf den Abend verlegen. Mit fachkompetenter Ernährungs­aufklärung kann man alle Familien allerdings gut unterstützen.

Dr. Stephanie Lehmkühler – LW 16/2024